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Ballett und Oper konzertant

Ballett und Oper konzertant

Das Budapest Festival Orchester zu Gast in Wien
Richard Wagners 'Tristan und Isolde' und Bela Bartoks einzige Oper 'Herzog Blaubarts Burg' haben eines gemeinsam: Beide Werke erhielten zunächst einmal das Prädikat unspielbar. Bartok vollendete die Partitur im September 1911, auf die Uraufführung in Budapest musste er jedoch bis 1918 warten. Das Libretto zu 'Herzog Blaubart' stammt aus der Feder Béla Balázs, der 1907 die Uraufführung von Dukas 'Arianne et Barbe bleue' miterlebte. Balázs lehnt sein 1910 verfasstes Mysteriendrama 'Herzog Blaubarts Burg' an Maeterlincks symbolistisches Bühnenmärchen "Blaubart und Ariane" an, allerdings versetzte er die Handlung nach Ungarn, indem er die alte Volksballade des ungarischen Blaubarts miteinbezieht. Die Grundstruktur der Handlung bleibt jedoch erhalten: Judith hat ihren Geliebten verlassen, um Blaubart auf seine dunkle Burg zu folgen, wo sie ihn so eindringlich eindringlich bittet, die sieben verschlossenen Türen zu öffnen, bis Blaubart dies auch tut. Bei der siebten und letzten Tür angekommen, erkennt sie, dass sich dahinter Blaubarts frühere Frauen befinden, denen sie nun folgen muss. Als Balázs im Salon Zoltán Kodálys das Stück vorlas, keimte in Bartok die Idee, das Drama zu vertonen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Werken des Komponisten spielen in der Muik zu 'Herzog Blaubart' volksmusikalische Motive so gut wie keine Rolle. Gerade durch diese farbenreiche Orchesterbehandlung, die sich vor allem der Schilderung der sieben Kammern widmet, eignet sich das Werk hervorragend für eine semikonzertante Aufführung, wie man sie nun im Wiener Konzerthaus erlebte. Der Abend unter der Leitung von Ivan Fischer verdiente schon deshalb großes Interesse, da 'Herzog Blaubart' im Wiener Musikleben schon längere Zeit nicht präsent ist. (So wurde das Stück an der Staatsoper nach 1945 lediglich Ende der 1980er Jahre ein paar Mal angesetzt.) Durch eine kurzfristige Erkrankung Béla Perencz' ließ sich das halbszenische Konzept jedoch nur mehr bedingt umsetzen, wobei es sich als Glücksfall erwies, dass man Falk Struckmann als Ersatz gewinnen konnte, der die Rolle vom Notenpult aus mit enormem Stimmvolumen und einer bei diesem Sänger längst nicht mehr alltäglichen Höhensicherheit ausfüllte. Vokale Durchschlagskraft war auch unverzichtbar, denn Ivan Fischer animierte das sehr transparent klingende Budapest Festival Orchester mit weit ausholenden Gesten zu einem beinahe unentwegtem Fortissimo, das für Andrea Szantos Judith teilweise undurchdringbar blieb. Mimisch und gestisch verkörperte sie die Rolle sehr glaubwürdig. Hinter dem Orchester, in Schleier verhüllt, positionierte man Blaubarts frühere drei Frauen, denen Bartok nur stumme Rollen zugedacht hat. Die Idee, sie in der Schlussszene lebendig werden zu lassen und sie an der Rampe in das Geschehen einzubeziehen, erwies sich als durchaus sinnvoll. Vor der Pause hörte man die Pantomime 'Der wunderbare Mandarin'. Auch dieses Werk wurde zu Lebzeiten des Komponisten nicht gerade mit offenen Armen empfangen: Die Geschichte von den Verbrechern, die mit Hilfe einer Prostituierten ihre Opfer in eine Falle locken, um sie auszurauben beziehungsweise gleich zu ermorden, erschien dem Theaterbetrieb der 1920erJahre zu anstößig. Als man das 1918 vollendete Stück endlich 1927 in Köln aus der Taufe hob, war der Skandal so perfekt, dass sich der Bürgermeister namens Konrad Adenauer veranlasst sah, das neue Werk umgehend vom Spielpan verschwinden zu lassen. Bartoks über weite Strecken deskriptive Musik setzt die akustische Kulisse der Großstadt ebenso um wie den Todeskampf des partout nicht ermordbaren Mandarin. Da Bartoks Partitiur dem Bühnengeschehen minutiös folgt, entschied man sich für eine Projektion der szenischen Anweisungen mittels Übertitel, was für das Verständnis des Werks beinahe unverzichtbar ist. Die Partitur bietet mit ihren vielen Solostellen jedem Orchester die Möglichkeit zum Brillieren, was die Musiker unter Ivan Fischers Leitung auch taten. Die Vorliebe zu orchestraler Überlautstärke war aber auch bei diesem Werk erkennbar. Kritik von Dr. Rainhard Wiesinger